Vor wenigen Tagen ist mit ‚Zwischen den Welten‘ die neueste Eigenproduktion aus der Druckerei eingetroffen. Der gesamte Sommer stand im Zeichen dieses Buches und während andere sich am Strand sonnten, glühten bei uns die Rechner. Was Autor Marco Bertram über das Ergebnis denkt und wie er die Entwicklung des Fußballs in den zurückliegenden Jahrzehnten sieht, dazu stand er uns nun Rede und Antwort.
Moin Marco, die vergangenen Monate haben wir hart an Deinem Erstlingswerk ‚Zwischen den Welten‘ gearbeitet. Wie zufrieden bist Du mit dem Ergebnis und hast Du bereits erste Reaktionen bekommen?
Ein fröhliches ‚Moin‘ zurück. Ich bin überaus zufrieden. Vor einem Jahr hätte ich es nicht erwartet, dass mein erstes Fußballbuch solch ein aufwändig gestalteter Brocken mit dermaßen vielen Fotos wird. Während der letzten Monate ahnte ich natürlich bereits, welch ein Schmuckstück das wird. Ich hatte ja während des Layouts stets einen Blick auf die pdf-Dateien geworfen. Das Buch in gedruckter Form in den Händen zu halten, war ein herrliches Gefühl. Das letzte Jahr war wirklich hart. Ich stand – glaube ich – kurz vor dem totalen Burnout. Es ging ja nicht nur ums Schreiben – das tue ich jeden Tag auf turus.net –, sondern vielmehr schlauchte es, so tief in manche Dinge aus der Vergangenheit einzusteigen. Im Buch steckt quasi fast mein ganzes Leben. Eine Anekdote geht sogar bis in die früheste Kindheit zurück. Und die ersten Reaktionen? Überaus erfreulich. Mein Umfeld zeigt sich sehr erfreut über die Tatsache, dass turus-Marco – in manchen Foren noch als Sambamarco bekannt – endlich was auf Papier gebracht hat.
Könntest Du kurz beschreiben, was den Leser in Deinem Buch erwartet.
Eine Achterbahnfahrt. Mit Höchstgeschwindigkeit durch die letzten zwei, drei Jahrzehnte. Was das Cover nicht verrät: Es gibt auch etliche spannende und witzige Anekdoten aus dem Alltag und von diversen Reisen in Nah und Fern. Und ja, mitunter wird es dramatisch. Mehrmals sprang ich dem Meister Tod von der Schippe. Meine Schutzengel mussten ganze Arbeit leisten. Überfälle und Busentführung in Brasilien, schwerer Autounfall am Rande von Berlin, Schiffbruch auf stürmischer Nordsee. Actionreich ging es mitunter auch beim Fußball zu, wenn gleich es glücklicherweise in den letzten 24 Jahren bei drei blauen Augen, einigen Schlagstockhieben und einer recht argen Pfefferspray-Verletzung blieb. Von 1990 bis 2014 besuchte ich hunderte Spiele – die besten gelangten ins Buch. Beleuchtet wurde vor allem das Geschehen auf den Rängen und vor den Stadiontoren, doch auch manch kniffliges Spiel auf dem Rasen wird dem Leser noch einmal vor Augen geführt. Die Schwerpunkte: Fußball in NRW, in Berlin bzw. der Region Nordost – dazu eine ordentliche Portion Auslandsfußball. Ich sage nur: In Parma des Landes verwiesen, in Warschau fast erfroren, in Eindhoven die Polizeipferde stürzen gesehen…
Wie war die erste Lesung in Berlin und wird es weitere Termine geben?
Die erste Lesung fand spontan in der ‚Bunten Kuh‘ in Berlin-Weißensee statt. Kleine Runde, netter Rahmen. Ich saß vor einem Bücherregal auf einem alten abgewetzten DDR-Sessel. Coole Sache, ein guter Test für weitere Lesungen. Beim Fanprojekt Magdeburg wird es am 5. November eine Lesung geben. Nur drei Tage vor dem Kracher BFC Dynamo vs. 1. FC Magdeburg. Passt wie die Faust aufs Auge. Ich freu mich riesig drauf. Im Fanhaus des F.C. Hansa Rostock wird es Anfang des Jahres auch eine geben, im Raum stehen zudem Veranstaltungen in Chemnitz und Münster. Beim BFC Dynamo sind in Kürze auch zwei gemütliche Abende geplant.
Wie hast Du eigentlich die Veränderungen in den Fankurven in den vergangenen 24 Jahren wahrgenommen?
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Schnell spricht man von der ‚guten alten Zeit‘, doch Anfang der 90er war es nicht nur geil. Es gab auch viel Tristesse, halbvolle Stadien, verdammt ungemütliche Kurven an einem regnerischen Novemberabend. Die Fans waren meist unorganisiert. Solche knackige Märsche wie in der Gegenwart hätte ich mir damals gern gewünscht. Der Mob rannte damals ins Stadion, trank etliche Pilsetten, pöbelte auf Teufel komm raus. Klar, es war auf eine Art herrlich und unbeschwerlich. Andererseits: Wenn die Bochumer oder Gladbacher Polizei mal wieder wegen einer Nichtigkeit den ‚goldenen Schlagstock‘ schwingen ließ, juckte das kaum eine Sau. Fußballfans hatten keine Lobby, galten meist nur als Assis und Proleten. Die junge Generation ist heutzutage gut strukturiert. Da kann man teilweise nur den Hut ziehen. Sie mischen sich ein in die Vereinspolitik, kämpfen für ihre Rechte, für alte Vereinsembleme, kämpfen an gegen Unrecht und verschaffen sich Gehör. Was allerdings den Sicherheitswahn und die kommerziellen Auswüchse betrifft – da wird mir manchmal einfach nur schlecht. Kein Wunder, dass ich mich in den unteren Ligen wohler fühle.
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Du hast viele Fankurven in Deinem Leben gesehen. Welche haben Dich dabei am meisten beeindruckt und warum?
1993 bis 1994 stand ich mit meinem guten Freund und turus-Partner Karsten einige Male mitten im Block 13 der Dortmunder Südtribüne. Der absolute Wahnsinn. Was für eine Enge. Stimmung vom Feinsten. Pyro wurde frei nach Schnauze gezündet. Fiel ein Tor, wurde es grenzwertig. Aber es war verdammt beeindruckend. Es gab einige Male in meinem Fußballleben, dass mir Pipi in den Augen stand, weil mich die Stimmung dermaßen mitnahm. Diesbezüglich bin ich dicht am Wasser gebaut. Celtic in Köln 1992 und in Stuttgart 2003, englischer Fußball Anfang der 90er Jahre, die Euphorie beim Aufstieg von Hertha BSC im Frühjahr 1997. Der Landespokalsieg des BFC Dynamo 2011, der damalige Jubel beim 1:0. Die Lok-Kurve beim ersten RL-Derby gegen RasenBallsport. Es gab viele Fankurven, die meine Augen feucht werden ließen und Gänsehaut erzeugten. Apropos: Meinen größten ‚Tor-Orgasmus‘ gab es nicht beim Fußball, sondern beim Eishockey. 1995, der EHC Eisbären siegte 5:4 nach Verlängerung bei den verhassten Preussen – und das als sportlicher Underdog. Das war ein dynamischer Urschrei. Ich saß – notgedrungen – auf der Haupttribüne und hätte vor grenzenloser Freude die Halle an der Jafféstraße auseinander nehmen können.
Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?
Da gibt es einige Dinge. Stopp des Neubaus von gesichtslosen 0815-Stadien. Manch ein Gästeblock in der ersten und zweiten Bundesliga ist auch ein reiner Witz. So wie in der Alten Försterei – so muss das sein. Gäste sollen sich als Gäste fühlen – und nicht als notwendiges Übel, das man in einen Käfig in der äußersten Ecke oder auf den dritten Oberrang verfrachtet. Und ja, weniger Polizei! Klingt platt, ist es aber nicht. Was für sinnlose Aktionen ich sehen durfte in all den Jahren! Tausende Polizisten bei einem Fußballspiel. Ein totaler Irrsinn. Und geknallt hatte es letztendlich doch irgendwo. Ne Keilerei im Suff direkt vor dem Hauptbahnhof. So was wird man nie verhindern können. Der Fußball wird nie ohne Polizei auskommen, doch das überaus martialische – und teilweise auch provokante – Auftreten manch einer Einheit muss nun wirklich nicht sein. Ich könnte mich jetzt in einen Rausch schreiben. Doch stopp, das ist ein weiteres Buch wert. Ich ergänze an dieser Stelle nur noch: Eintrittspreise im Fußballoberhaus runter! Erhalt der eingetragenen Vereine – echtes Mitspracherecht für Mitglieder bzw. Fans! Solchen Konstrukten wie RasenBallsport Leipzig Einhalt gebieten. Mit einem vernünftigen Vereinsnamen und einem echten Logo, hätte man halbwegs mit leben können. Doch in dieser Form, ist es schwer, ein Befürworter solcher Vereine zu werden…
Gibt es eigentlich Stadien und Regionen, die Du unbedingt noch bereisen möchtest?
Schnell kristallisierte sich in den 90ern heraus, dass ich mich auf den Britischen Inseln, in Brasilien, auf dem Balkan und in Polen am wohlsten fühle. Die eine oder andere zukünftige Fußballtour darf mich gern in diese Gegenden führen. Untere Ligen in England – ein Projekt für die nahe Zukunft. Aber eines ist klar: Ich bin offen für manch eine Tour, doch tagelang in Nachtzügen zu pennen, die Nächte in Ruinen, in Parkanlagen und gammeligen Bahnhöfen zu überbrücken – aus diesem Alter bin ich raus. Ich hatte reisetechnisch so ziemlich alles ausprobiert – und ich hatte manches Mal mehr Glück als Verstand gehabt. Einige Touren waren nicht ohne – Kusshand nach oben, dass ich hier noch heil dasitzen darf und euch diese Zeilen schreiben darf.
Welche anderen Magazine und Bücher würdest Du empfehlen und warum?
Ist doch klar! Mein eigenes! Ach nee, da steht ja ‚andere Bücher‘. Auch wenn es noch nicht auf dem Markt ist und ich es noch nicht in den Händen hielt: ‚Schwarzer Hals, Gelbe Zähne III!‘ Dieses Werk wird gewiss ein Knaller sein. Ich bewundere Veit Pätzugs Energie. Seine Art der Kommunikation, seine Art, an Buchprojekte ranzugehen. Da ich selber jeden Tag so viel für turus.net tippen muss, komme ich gar nicht so viel zum Lesen. Aber klar, ich studiere jede Ausgabe von ‚Blickfang Ultrà‘ und ‚45 Grad‘. Und ‚Stadionpartisanen nachgeladen‘ ist auch ein klasse Buch. Klingt jetzt nach gewisser Eigenwerbung, da es auch im nofb-shop erschienen ist, doch der Kauf lohnt wirklich. Auf eine gewisse Art war es – wie auch ‚Schwarzer Hals, Gelbe Zähne II‘ – für mich eine Inspiration, wenn gleich mein Buch ganz anders gestrickt ist. Und grundsätzlich zeige ich mich sehr erfreut, dass die Elektronik noch nicht das Papier besiegt hat. Was gibt es schöneres, als mit einem guten Buch oder einem druckfrischen Heftchen in der Wanne zu liegen oder eine triste S-Bahn-Fahrt zu überbrücken?!
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