Jörg Pochert gehört zur ersten Garde der Groundhopper, denn er ist bereits seit den 90er Jahren für den Fußball unterwegs. Also bereits seit einer Zeit, in der es noch keine Spielpläne im Internet, Billig-Airlines oder schnelle Informationen zu ausländischen Klubs und Stadien gab. Nun veröffentlichte der schreibwütige Hopper sein zweites Buch, in dem er auf Touren in den vergangenen fünf Jahren zurückblickt. Um einen ersten Ausblick auf das entstandene Druckwerk zu geben, stellte sich Pochert aktuell für ein Interview zur Verfügung.
Hallo Jörg, zur Jahreswende ist Dein zweites Buch mit dem Titel Englische Woche in Armenien erschienen. Was darf der Leser in diesem erwarten und wie sind bisher die Reaktionen ausgefallen?
Der eine oder andere Leser wird wissen, dass ich seit 2016 auf Facebook unter dem Pseudonym Captain Klobasa von meinen Spielbesuchen blogge. Ende 2020 konnte also das fünfjährige Jubiläum dieses Blogs gefeiert werden, was ein willkommenes Ereignis war, die besten Berichte zu versammeln und als Buch zu veröffentlichen. In den letzten fünf Jahren hatte ich insgesamt 676 Fußballspiele in vierzig Ländern besucht, jedes dieser Länder findet sich auch in mindestens einem Bericht im Buch wieder. Insgesamt darf sich der Leser auf 418 Seiten freuen, mit etwa 230 Fotos. Die Reaktionen waren bislang ausnahmslos positiv. Kritische Anmerkungen gab es bislang lediglich bezüglich kleinerer Nuancen, aber nicht hinsichtlich des Gesamtwerks. Unterm Strich bin ich etwa zwei Monate nach der Veröffentlichung vollauf zufrieden.
Welche Reisen in den vergangenen Jahren haben Dich nachhaltig geprägt?
Zuerst fallen mir dort Japan im Herbst 2013 und Island im Juni 2015 ein. In beiden Fällen haben mich die Länder an sich total umgehauen, weil es jeweils in vielerlei Hinsicht komplett etwas anderes war als in der Heimat und natürlich sowohl Japan, als auch Island mit einer wahnsinnig schönen Natur punkten können. Auch der Fußball machte mir in beiden Ländern großen Spaß. Was die im Buch veröffentlichten Reisen angeht, so stechen sicherlich der elftägige Kaukasus-Ausflug im April 2018 und die zweieinhalbwöchige Südostasien-Tour im Herbst 2019 hervor. Grundsätzlich ist es bei mir meistens so, dass der Weg das Ziel ist und die Fußballspiele zwar der eigentliche Anlass sind, jedoch nicht immer das sind, das nachhaltig in Erinnerung bleibt. Das titelgebende Armenien ist da ein klassisches Beispiel: Denke ich an Armenien, erinnere ich mich zuerst an geniale Berglandschaften, an das Geghard-Kloster, das Panorama der beiden Ararat-Gipfel oder an den Denkmalkomplex Tsitsernakaberd, der dem Völkermord an den Armeniern 1915 gedenkt. Aber ich erinnere mich nicht sofort an das Zweitligaspiel Pyunik Yerevan II gegen Ararat Yerevan II vor ganzen sechzig Zuschauern.
Worin liegt für Dich der Reiz, Spiele in Palästina oder auch der Isle of Man zu besuchen?
Der Reiz liegt zunächst einmal darin, dass sowohl Palästina, als auch die Isle of Man über einen eigenen Fußballverband verfügen, so dass mit einem dortigen Spielbesuch auch einen neuen Länderpunkt einfahren konnte. Palästina an sich ist als Land interessant. In Betlehem steht die Geburtskirche an jenem Jesus Ort, wo Jesus Christus zur Welt gekommen ist. Der Palästina-Konflikt ist ein Thema für sich, in den man sich gern mal einlesen darf, ohne dass ich hier Partei für irgendeine Seite ergreifen möchte. Das vor Ort zu sehen, ebenso wie die acht Meter hohe Mauer an der Grenze, ist für einen in der DDR geborenen Menschen erschreckend, aber irgendwo auch ein Spiegelbild der eigenen Geschichte, welches mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Den Spielbesuch an sich habe ich wiederum negativ im Kopf behalten, siehe Bericht im Buch.
Die Isle of Man war für mich vor meinem Besuch hauptsächlich fußballhistorisch sehr interessant. Die dortige Liga wird seit 1896 ausgetragen und ist damit die viertälteste nationale Liga der Welt. Länger bestehende Spielklassen gibt es nur in England, Belgien und Argentinien. Dass ich hier mal hin musste, war klar. Aber auch in die Insel inmitten der irischen See habe ich mich in den wenigen Tagen wirklich verliebt. Eine wunderschöne Natur, bedeutsame Industriedenkmäler, leckeres Essen und Bier, eine Pferdestraßenbahn in der Inselhauptstadt Douglas, freundliche Menschen und das alles mit dem typisch britischen, spröden Charme – das hat mir sehr gut gefallen.
Welche Stadien muss ein Fußballfan Deiner Meinung nach unbedingt in seinem Leben aufsuchen?
Zuerst sei hier das Mestalla im spanischen Valencia genannt, weil es in den nächsten Jahren abgerissen werden wird. Eine total steile, 60.000er Hütte inmitten in einem Wohnviertel – genial. Vom Panorama her liebe ich den Hásteinsvöllur in Vestmannaeyjar auf der Insel Heimaey südlich des isländischen Festlandes. Auf der Haupttribüne sitzend, schaut man auf einen riesigen Fels, der sich direkt hinter der Gegengerade auftürmt – Wahnsinn! Und um einen Bezug zum Buch zu bekommen: Das die Titelseite zierende Hrazdan-Stadion in Yerevan mit seinen unglaublich großen Flutlichtmasten ist ein Muss. Leider wurde hier jahrelang gar nicht mehr gekickt und das Stadion war bei unserem Besuch 2018 in einem erbärmlichen Zustand. Mittlerweile gab es aber eine Generalüberholung, so dass ich hierfür sicherlich demnächst ein zweites Mal nach Armenien fliegen werde.
Wie verbringst Du die Zeit während der Pandemie? Eintrittskarten und Fotos sortieren?
Zunächst habe ich das Buch herausgebracht, damit war ich schon gut beschäftigt. Bis Dezember konnte man zudem zumindest noch Amateurfußball in Polen schauen, was ich auch regelmäßig getan habe. Im ersten Quartal 2021 geht fußballerisch nicht viel. Ich war zwar im Februar in Duisburg beim VfB Homberg und in Gelsenkirchen im neuen Parkstadion, wo ich zusammen mit Freunden jeweils ein Spiel von außen verfolgen konnte, aber das macht natürlich keinen großen Spaß. Immerhin kam ich mal wieder vor die Tür, was vermutlich am wertvollsten war, da ich noch bis mindestens September komplett im Home Office arbeiten werde. Ansonsten lese ich derzeit sehr viel, gehe regelmäßig joggen und arbeite an einem neuen Buch, welches voraussichtlich im Spätsommer erscheinen wird. Auch wenn ich mittlerweile echt coronamüde bin und mir sowohl der Fußball und das Reisen wahnsinnig fehlen – langweilig wird mir nicht.
Anfangs gab es ja doch massive Lieferschwierigkeiten bei Deinem Werk. Wie sehr ärgert Dich sowas als Autor?
Mich ärgerte dies in den ersten Wochen nach dem Erscheinen kolossal. Als Autor will man natürlich, dass sein Werk gelesen wird. Man macht Werbung und fixt die Leute an, die dann auch fleißig bestellen. Und dann ewig warten. Ich habe mich bei etlichen Freunden und Bekannten mehrfach für die Verzögerungen entschuldigt, was mir jedes Mal total peinlich war, obwohl ich gar nichts dafür konnte. Auch auf meine eigenen Exemplare habe ich selbst fast einen Monat lang gewartet. Das ist natürlich ebenso nervig: Man hat ein Buch heraus gegeben, dann will man es natürlich auch endlich selbst in den Händen halten. Vor allem aber hat es mich für den Handel oder auch Onlineportale wie den NOFB Shop geärgert. Man bestellt nennenswerte Größenordnungen, hat schnell etliche Bestellungen vorliegen und kann dann nicht liefern. Was schnell zu einer großen Kundenunzufriedenheit führen kann und zu ständigen Anfragen, die Zeit kosten. Und natürlich auch Geld, weil einfach weniger bestellt wird und bestehende Bestellungen möglicherweise gar storniert werden. Gerade aktuell in der Pandemie, wo viele Händler ums Überleben kämpfen, ist so eine Situation dramatisch.
Bei allem Ärger muss ich aber auch Verständnis äußern: BooksOnDemand ist ein Verlag, der von der Pandemie ebenso überrascht wurde wie wir alle. Aus Abstandsgründen mussten Mitarbeiter nach Hause geschickt werden, so dass die Produktion nicht mehr auf voller Leistung laufen konnte. Zudem geben natürlich gerade aktuell viel mehr Menschen ein Buch heraus als sonst. Logisch, denn die Leute sitzen daheim und haben nun Zeit dafür, ich selbst bin ja das beste Beispiel. Mehr Auftragsvolumen bei zugleich weniger Manpower, das konnte nur schief gehen. Ich hoffe sehr, dass der Verlag diese Situation bald überwindet und zur Normalität zurückkehren kann. Genau wie wir alle. Was für mich als Groundhopper nicht weniger bedeuten würde, als endlich wieder meinem wichtigsten Hobby frönen zu können und damit auch Stoff für neue Geschichten zu sammeln.
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Tags: Armenien, Fankultur, Fankurve, Groundhopping, Reiseberichte
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